Wohnungsnot und steigende Mieten: Bundesregierung muss endlich handeln
Wohnungsbau: Priorität für den Neubau bezahlbarer Mietwohnungen
„Die einfache Losung „bauen, bauen, bauen“ wird den wohnungs- und mietenpolitischen Problemen bei weitem nicht gerecht. Es müssen auch die richtigen, das heißt die tatsächlich benötigten Wohnungen an den richtigen Standorten, also vor allem in den Großstädten und Ballungsgebieten, gebaut werden“, erklärte der Mieterbund-Präsident. „Wir brauchen in erster Linie bezahlbare Mietwohnungen und mehr Sozialwohnungen, damit der Neubau tatsächlich mietpreisdämpfend wirken kann und auch Normalverdiener wieder eine Wohnung in der Stadt anmieten und bezahlen können. Der Prozess der Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte an die Ränder der Stadt und darüber hinaus muss gestoppt werden.“
2017 wurden insgesamt 284.816 neue Wohnungen in Deutschland gebaut. 2018 lag die Zahl der Fertigstellungen mit 285.914 nur geringfügig höher. Damit blieb der Wohnungsneubau rund 25 Prozent hinter dem tatsächlichen Wohnungsbedarf und der Zielsetzung der Bundesregierung - 375.000 neue Wohnungen pro Jahr - zurück.
Hinzu kommt, dass am tatsächlichen Wohnungsbedarf weitgehend vorbeigebaut wird. Von den 285.914 fertiggestellten Wohnungen entfallen nur 134.084 Wohnungen auf den Geschosswohnungsbau. Davon waren 64.649 Wohnungen - im Zweifel - teure Eigentumswohnungen. Klassische Mietwohnungen wurden im letzten Jahr lediglich 69.435 neu gebaut.
„Das ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Benötigt werden aus unserer Sicht 80.000 neue Sozialmietwohnungen pro Jahr und 120.000 vor allem bezahlbare Mietwohnungen“, sagte Dr. Franz-Georg Rips. „Ein schlüssiges Gesamtkonzept der Bundesregierung, wie der notwendige Mietwohnungsneubau anzukurbeln ist, fehlt bisher. Milliarden-Ausgaben für ein Baukindergeld führen jedenfalls nicht zu mehr Wohnungsneubau, lösen allenfalls in ländlichen Regionen Mitnahmeeffekte aus und befeuern in den Städten den Kauf von Bestands-, das heißt Eigentumswohnungen. Stattdessen muss jetzt der Neubau bezahlbarer Mietwohnungen Priorität haben. Wir schlagen folgende Eckpunkte vor“:
- 80.000 Sozialwohnungen - statt wie zuletzt etwa 26.000 - müssen pro Jahr neu gebaut werden, mit dauerhaften, zumindest möglichst langfristigen Preisbindungen.
Hierzu müssen Bund und Länder deutlich höhere Finanzmittel zur Verfügung stellen als bisher. Eine Verdreifachung der Fördermittel ist notwendig. Positiv ist, dass durch die erfolgte Grundgesetzänderung der Bund die Länder auch nach 2019 mit Finanzmitteln für die soziale Wohnraumförderung unterstützen kann. Die bisher eingeplante 1 Milliarde Euro pro Jahr zuzüglich 500 Millionen Euro aus einer Umsatzsteuerumverteilung stellen aber keine Erhöhung der Finanzmittel dar, sondern entsprechen dem bisherigen Bundesanteil von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Vor allem kritisieren wir, dass die Länder nicht in gleicher Weise wie der Bund in die Pflicht genommen werden. - 120.000 Mietwohnungen zu Preisen, die auch für Normalverdiener leistbar sind, müssen pro Jahr neu gebaut werden.
Der Bund kann hier mit steuerlichen Förderinstrumenten ein Zeichen für den Mietwohnungsbau setzen. Voraussetzung ist aber, dass für die steuerlich geförderten Wohnungen eine Mietobergrenze festgelegt wird. - Bezahlbare Mietwohnungen werden in erster Linie von kommunalen Unternehmen, Genossenschaften oder anderen gemeinwohlorientierten Unternehmen gebaut. Als möglicher Träger einer neuen Gemeinnützigkeit sind sie zu stärken und zu fördern. Mittelfristig muss der Anteil dauerhaft gebundener Wohnungen auf 30 Prozent erhöht werden. Hierzu muss auch das Vorkaufsrecht der Gemeinde oder die Möglichkeit, Immobilien anzukaufen, gestärkt werden.
- Wichtigste Voraussetzung für eine Ausweitung des Wohnungsangebots und für den Bau neuer bezahlbarer Mietwohnungen ist die Verfügbarkeit von Bauland. Gleichzeitig müssen Bodenspekulation und inflationäre Preissteigerungen verhindert werden:
- Bei der Bauleitplanung ist als zusätzliches Ziel die Schaffung und Erhaltung bezahlbaren Wohnraums in das Baugesetzbuch aufzunehmen. Diese Zielsetzung muss Einfluss nehmen auf die Ausgestaltung städtebaulicher Verträge, die Ausübung des allgemeinen Vorkaufsrechts, die Enteignung, die Maßnahmen der sozialen Stadt, die Erhaltungssatzung, die Ausübung von Baugeboten bzw. Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot und die Verkehrswertgestaltung.
- Bauvorhaben im so genannten Innenbereich, für die kein Bebauungsplan vorliegt, müssen für zulässig erklärt werden können, wenn bezahlbarer Wohnraum geschaffen oder erhalten werden soll.
- Wertsteigerungen eines Grundstücks, das heißt leistungslose Gewinne aufgrund von Planungen der Gemeinde, müssen über einen Planwertausgleich von der Gemeinde abgeschöpft werden können.
- Grundstücke von Bund und Ländern bzw. von bundes- oder landeseigenen Unternehmen sollen vorrangig an Kommunen vergeben werden, und zwar deutlich unter dem Verkehrswert, soweit die Flächen für den Bau von Sozialwohnungen bzw. bezahlbaren Mietwohnungen genutzt werden.
- Die Kommunen sollen Bauland grundsätzlich nur in Erbpacht vergeben, vor allem an kommunale bzw. gemeinwohlorientierte Unternehmen.
- Brachliegendes Bauland muss verstärkt über Baugebote aktiviert werden. Dabei muss sich ein Baugebot auf ein ganzes Baugebiet erstecken können.